Coins sind nicht gleich Coins
Die Kurse der Kryptowährungen sind einmal mehr stark gefallen. Manch einer spricht vom Krypto-Winter, einem Lehman-Moment der Kryptos, nur ohne staatlichen Rettungsschirm, von Ausverkauf, Zusammenbruch des Kryptoversums, Kryptokalypse. Doch von einer solchen Situation ist der Markt weit entfernt.
Tatsächlich hat von all den Erklärungsversuchen der jahreszeitliche Ansatz mit die größte Berechtigung. Ja, die Kryptokurse fallen, ja, sie fallen stark, aber auch: ja, das gab es schon häufiger. Fast wie der Lauf der Jahreszeiten wiederholt sich das Muster der Kryptos. Auf einen starken Frühling mit steigenden Kursen und großer Verliebtheit folgt ein träger, gesättigter Sommer. Den Herbst ahnt man kaum, es geht im freien Fall direkt in den Winter.
Wenn tatsächlich der Kryptowinter einkehrt sollten sich Anleger genug Speck angefressen haben, um in Winterschlaf zu gehen und wieder aufzuwachen, wenn die Kryptosonne wieder warm scheint. Denn wie im Reigen der Jahreszeiten heißt es auch hier: der nächste Frühling kommt bestimmt. Die Propheten des Untergangs bezweifeln dies.
Warum? Weil die Pessimisten vor allem den Blick auf die Stablecoins richten. Diese Coins sollen eigentlich die Rolle des Schmiermittels zwischen den unterschiedlichen Kryptos übernehmen. Sie sind so gebaut, dass sie eine Fiat-Währung wie den US-Dollar möglichst immer ein zu eins abbilden. So lässt sich Geld aus anderen Kryptos in Stablecoins umschichten, um hier abzuwarten, bis wieder Investitionsmöglichkeiten bestehen. Das Versprechen ist also, eine stabile Warteposition einnehmen zu können, ohne das Kryptoversum verlassen zu müssen.
Jetzt ist einer der zuletzt stark gehypten Stablecoins mehr oder weniger kollabiert: Terra und seine Ableitung Luna sind zusammengebrochen und lassen Anleger ratlos zurück. Andere Stablecoins wie Tether oder USDC gaben in dem Sog nach, finden sich aber wieder und erledigen derzeit das, was sie sollen: Parität zum Dollar bieten. Wobei anzumerken ist, dass gerade Tether auch bereits mehrfach unter Druck stand, weil nicht klar wurde, womit die Stabilität hergestellt wird. Angaben zu den unterlegten Werten waren schwierig zu bekommen, eine Strafzahlung an die Aufsicht wurde verhängt.
Doch im großen und ganzen funktionieren die Stablecoins – und können auch in Zukunft ihre Rolle spielen. Terra war hier ein Sonderfall, da gar nicht erst die Absicht bestand, die Dollar-Parität mit echten Werten zu hinterlegen, sondern alles auf einen Algorithmus abgeschoben wurde. Dieser sollte für Stabilität im System sorgen – und ist offensichtlich gescheitert.
Zudem sind nochmals zwei Dinge zu unterscheiden: Die Stablecoins sind nur ein Schmiermittel des Kryptoversums, ein Scharnier. Sie stellen keine Werte, keine Idee an sich dar. Andere Coins sind viel mehr wie ein kleines Tech-Unternehmen zu betrachten. Oder auch ein großes, wie etwa Ethereum. Diese Coins sind nur Ableitungen für echte Transaktionen, die auf den Blockchains stattfinden. Sie leben in ihren eigenen Universen und brauchen keine Stablecoins zum Leben. Deshalb werden sie jetzt und in Zukunft Wert aus dem beziehen, was sie verkörpern, welche Transaktionen darüber laufen und wie nützlich sie sind. Und in dieser Hinsicht hat der Frühling der Blockchain gerade erst begonnen.