Die Märkte und die Ideologen

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Steuersenkungen sind der Stoff, von dem die Märkte träumen. Steuersenkung, das verspricht mehr Geld zum Ausgeben, mehr Investitionen, somit mehr Wirtschaftswachstum und so eben auch steigende Kurse. Wann immer eine Regierung Steuersenkungen ankündigt, freuen sich die Märkte. Immer? Nein, die britische Regierung hat gerade gezeigt, dass die Märkte klüger sind als Finanzminister und allzu plumpe Aktionen durchschauen.

So hatte die neue Premierministerin des Inselreichs, Liz Truss, als eine ihrer ersten Amtshandlungen Steuersenkungen angekündigt und die entsprechenden Gesetze vorgelegt. Die Erwartung mag gewesen sein, dass die Märkte wie sonst auch immer die Aktion bejubeln, Pfund und Börse steigen und der neuen Regierung so ein guter Start gelingt. Make Britain great again ist das Motto der Freunde des Brexits – und die Steuersenkung sollte ihr Teil dazu beitragen.

Sollte, doch tat es nicht. Da die Briten gleichzeitig einen großzügig bemessenen Schutzschirm gegen die Energiekostensteigerungen erhalten sollten und auch sonst nicht viel auf der Ausgabenseite gestrichen wurde, war den kühlen Rechnern an den Märkten schnell klar: Die Rechnung geht nicht auf. Zwar mag die Steuersenkung die Wirtschaft stimulieren. Der Effekt allerdings bleibt gering angesichts des notwendigen Kampfes gegen die Inflation und gegen die steigenden Energiepreise.

Neue Schulden in großem Umfang wären die logische Folge gewesen. Nun ist nach der reinen Lehre der Effekt des Wirtschaftswachstums größer als der negative Einfluss der neuen Schulden. Doch bei den gegenwärtigen Größenordnungen wollte der Markt nicht den Ideologen glauben, sondern dem gesunden Menschenverstand. Die Kurse fielen, die Notenbank musste stützend eingreifen, die Regierung verlor erst Reputation, dann ihren Finanzminister und ob die Premierministerin noch einmal die Chance bekommt, einen Kurs der knallharten Angebotspolitik zu fahren ist mehr als fraglich.

Die sich im Vereinigten Königreich so rasch und detailverliebt entfaltende Szenerie zeigt, dass die Märkte zwar gerne auf Nachrichten hören, sie aber zumindest ein gewisses Maß an Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit beinhalten müssen. Die Rezepte der britischen Regierung liefen grandios ins Leere, obwohl man der reinen Lehre folgte. Die Märkte entlarvten die Ankündigungen schnell als hohl – und straften die Regierung ab.

Das heißt nicht, dass die Märkte richtig oder moralisch oder aufrecht gehandelt haben. Natürlich ist es gut, eine offenkundig zum Scheitern verurteilte Strategie abzulehnen. An der Börse geht das schnell, indem der Verkaufsknopf gedrückt wird. Jetzt ist die Regierung seiner Majestät gezwungen, zurückzurudern, der Finanzminister wurde ausgetauscht, die Premierministerin steht unter Druck. Die Bank of England wurde vorgeführt, sie schaffte es trotz Ankündigung nicht, die Märkte zu stabilisieren. Für die Märkte also ein klares Signal: Unsicherheit allerorten, Unsicherheit belastet die Kurse. Doch bleibt die Chance, dass auch hier die Vertreter der reinen Erwartungslehre eines Besseren belehrt werden. Aus all dem Chaos mag sich Großbritannien stolz wieder erheben. Dann sollte man ein paar britische Aktien im Portfolio haben.

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