Taxonomie in Zeiten der Krise
Was waren das friedliche Zeiten, als die EU ihre Vorschläge unterbreitete, welche Geldanlagen als nachhaltig zu betrachten sind. Die Empörung war groß, dass Atomkraft und Gas mit aufgenommen wurden. Und heute? Hat sich das Papier genau wie die aufgeregte Diskussion darüber in Teilen schon überholt, weil plötzlich andere Themen an Bedeutung gewonnen haben.
Es ist ein wichtiges Ziel unserer Zeit, den Planeten vor dem Klimakollaps zu retten. Diesem Ziel dient der green deal der EU genauso wie auch die beschlossene Taxonomie. Diese soll dazu führen, dass privates Kapital vor allem in die Wirtschaftsbereiche fließt, die als nachhaltig angesehen werden, als gesellschaftlich erwünscht also. Interessanterweise steht mit dem möglichen Stopp der Gaslieferungen aus Russland Atomkraft wieder ganz oben auf die Agenda möglicher, erwünschter Energiequellen.
Die von Deutschland so dringend gewünschten Gaskraftwerke dagegen werden ohne den notwendigen Brennstoff auch nicht als Brückentechnologie dienen können. Die Diskussion darüber, ob Atomkraft und Gas also in eine Nachhaltigkeitsstrategie gehören, wird jetzt unter anderen Voraussetzungen geführt werden. Ja, Erneuerbare Energien sollten so schnell wie möglich ausgebaut werden. Ja, Wasserstoff ist ein optimales Speichermedium für grünen Strom. Aber auch: Ja, Atomkraft und seien es kleine, dezentrale Reaktoren, gehören wieder in den Energiemix der Europäer.
Aus Versorgungssicht spricht also vieles dafür, die ungeliebten Energiequellen Atom und Gas so wie beschlossen in der Taxonomie zu belassen. Ein anderes Thema wird jetzt neu dazukommen: Neben der grünen Taxonomie wird auch eine soziale Taxonomie entwickelt. Dort werden gesellschaftlich erwünschte oder eben nicht erwünschte Wirtschaftsbereiche definiert. Jetzt dreht sich die Diskussion um die Rüstungsindustrie.
Ist diese jetzt angesichts deutlich steigender Ausgaben und einer höheren Wertschätzung für die wehrhafte Demokratie erwünscht oder unerwünscht? Die Prioritäten verändern sich, die Taxonomien greifen dabei ineinander. Was hilft es uns, wenn wir alle Anstrengungen unternehmen, den Planeten zu retten, wenn ein Mitspieler sagt: ist mir egal, ich will nur ein größeres Stück vom Planeten? Rüstung statt Klimaschutz? Nein, so weit sind wir noch lange nicht und werden hoffentlich nie dahin kommen, hier eine Entscheidung treffen zu müssen.
Aber in der Abwägung des Ressourceneinsatzes verschieben sich die Gewichte. Es fließt mehr Geld in die Rüstung, mehr in regenerative Energiequellen, aber auch vielleicht wieder mehr in Atomkraft. Für Anleger bedeutet das ein Wechselbad der Gefühle, bei dem letztlich jeder Einzelne selbst entscheiden muss, welchen Weg er verfolgt. Ideologischer Rigorismus jedenfalls ist in der Geldanlage eher unangebracht, Pragmatismus trifft es besser.